Wasserschnecken im Aquarium

Wasserschnecken im Aquarium

Beschreibung Titelbild: Die Blasenschnecke ist robust und vermehrt sich bei gutem Futterangebot sehr schnell. (Foto: Oliver Mengedoht)

Eingeschleppte Plagegeister – oder geschätzte Helfer und Zierschnecken?

Text: ULLI BAUER


Früher war die Sache klar: Schnecken im Aquarium sind eine Plage, und man sollte sie tunlichst schnell loswerden, ehe sie das Aquarium überrennen! Heute sieht das ganz anders aus. Wir wissen viel mehr über die kleinen Schleimer und über ihre Rolle im Biotop – sowohl draußen als auch im eher beengten Raum des Aquariums. Dazu kommt, dass die gängigen Aquarienschnecken mit ganz wenigen Ausnahmen keine gesunden Pflanzen anknabbern – oder nur im äußersten Notfall, wenn sie wirklich gar nichts anderes mehr finden.


Was fressen Aquarienschnecken?

Unsere Aquarienschnecken fressen mit Ausnahme der Raubschnecke, die ein reiner Fleischfresser ist, sowohl pflanzliche als auch tierische Kost – sie sind ausdrücklich keine reinen Pflanzenfresser, sondern Allesfresser. Im Aquarium ernähren sie sich von Futterresten, abgestorbenen oder absterbenden Pflanzenteilen, Algenaufwuchs, Detritus, ... und das, was sie beim Reinigen des Aquariums aufnehmen, ist das beste und natürlichste Futter überhaupt für die Schnecken: Hier finden sie vor allem Biofilme, die neben ein- und mehrzelligen Grün-, Rot- und Blaualgen sowie Kieselalgen auch eine große Zahl von Bakterien und anderen Mikroorganismen enthalten. Insbesondere die beiden letztgenannten Nahrungsformen liefern ihnen die notwendigen Proteine für einen gesunden Gehäuseaufbau.

Die Donau-Kahnschnecke Theodoxus danubialis kann sich anders als Neritina, Vittina + und Clithon im Süßwasser vermehren.

Moment, Gehäuseaufbau? Das Schneckenhaus ist doch aus Kalk! Das stimmt, aber: Das vor Korrosion schützende Periostracum (also die farbige Schicht aus Komplexeiweiß) auf dem Haus kann nur vernünftig aufgebaut werden, wenn die Schnecke als generalistischer Allesfresser genügend Eiweiß vorfindet. Eiweiß aus bakteriellen Quellen ist dabei sehr nützlich, aber auch Proteine tierischen Ursprungs wie beispielsweise Mückenlarven (gefrostet oder teilweise sogar frisch) werden gerne genutzt. Auch tote Garnelen, Fische oder Mitschnecken werden verwertet.

Kalk brauchen die Aquarienschnecken für ihren Gehäuseaufbau selbstredend ebenfalls. Sie können über ihr Mantelgewebe dem Wasser den Aufbaustoff entziehen und nehmen ihn auch über ihre Nahrung auf. In weichem Wasser sollten die Schnecken dahingehend also über das Futter unterstützt werden. Dazu kann man entweder etwas Futterkalk mit Spirulinapulver mischen, mit Wasser zu einer zähen Paste anrühren, diese auf Steine streichen und diese Steine mit der getrockneten Paste ins Aquarium geben – oder gleich auf ein spezielles Schneckenfutter mit hohem Kalziumgehalt zurückgreifen.

Posthornschnecken der Gattung Helisoma gibt es in vielen Farben. (Foto: Oliver Mengedoht)


Futtermenge und Schneckenplagen

Bei Schnecken, die sich im Süßwasseraquarium fortpflanzen können, bestimmt die Futtermenge neben der Wasserqualität und der Wassertemperatur die Fortpflanzungsgeschwindigkeit entscheidend mit. Füttert man zu viel Fisch- oder Garnelenfutter, bleiben Reste übrig, die die Schnecken verwerten. Aber auch, wenn das Futter von der Zusammensetzung her für die Fische oder Garnelen nicht so ganz passt und daher nicht gut verdaulich ist, finden die Schnecken viel Nahrung: Die anderen Aquarienbewohner scheiden unverdautes Futter über ihren Kot aus, der von den Schleimern gerne verwertet wird; ungeeignetes Futter wie beispielsweise ein Flockenfutter mit tierischen und pflanzlichen Bestandteilen, das an einen Kampffisch, einen reinen Fleischfresser, verfüttert wird, sorgt so indirekt für eine Schneckenplage. Zudem wären noch abgestorbene oder absterbende Pflanzenteile zu erwähnen, die nicht abgesaugt wurden – auch sie sind erstklassiges Schneckenfutter.

Geweihschnecken der Gattung Clithon sind klassische Aufwuchsfresser und nehmen Kunstfutter erst nur zögerlich. (Foto: Chris Lukhaup)

Füttert man im Aquarium weniger oder hochwertiger und entfernt man Reste zeitnah, finden die Schnecken weniger Futter, aber Naturfutter in Form von Biofilmen ist im Aquarium nach wie vor massig vorhanden. Die Schnecken verhungern deswegen nicht, sie passen jedoch ihre Vermehrungsrate an. Nachlassende Vermehrung als Anpassung an einen Rückgang des Nahrungsangebots ist ein natürlicher Regulationsmechanismus, den viele Wirbellose in der Natur ebenfalls besitzen. Die Population passt sich den Gegebenheiten an, das bedeutet nicht, dass die Tiere leiden.

Clea helena, die Raubschnecke, ernährt sich überwiegend von anderen Schnecken. (Foto: Chris Lukhaup)

Man kann den Ernährungszustand einer Schnecke prima an der Relation Körperbreite zu Gehäuseeingang beurteilen. Wenn die Schnecke an der Aquarienscheibe kriecht und man den Gehäuseeingang nicht sehen kann, weil der Körper so breit ist, dass er ihn verdeckt, ist der Futterzustand gut. Das Ziel einer angepassten Fütterung ist, fitte Schnecken zu haben, die sich trotzdem nicht im Übermaß vermehren.

Das Haus dieser rosa Posthornschnecke zeigt mit helleren Querstreifen bereits leichte Zeichen von Korrosion. (Foto: Oliver Mengedoht)

Sie wird meist nicht bewusst eingesetzt, sondern mit Pflanzen eingeschleppt: die nur wenige Millimeter große Tellerschnecke. (Foto: Chris Lukhaup)

Große Schnecken wie diese Marisa cornuarietis mit mehreren Zentimetern Gehäusedurchmesser haben einen hohen Kalkbedarf. (Foto: Chris Lukhaup)


Muss zugefüttert werden?

Weil viele der gängigen Wasserschnecken (Posthorn-, Blasen- und Malaiische Turmdeckelschnecken, in Teilen sogar kleinere Apfelschneckenarten) Generalisten sind, können sie sehr gut im Aquarium ohne Sonderfutter leben. Übrig gebliebenes Fisch- und Garnelenfutter ist neben den gängigen Biofilmen und Algenbelägen, Pflanzenresten und Mikroorganismen eine gute Ergänzung. Diese Schnecken brauchen im Aquarium meist kein spezielles Schneckenfutter aus dem Handel. Sie kann man natürlich trotzdem füttern, wenn man Freude dran hat!

Algensteine für Aufwuchsfresser sind schnell selbst gemacht. (Foto: Ulli Bauer)

Ein guter Futterverwerter wie die Blasenschnecke ist die Gesundheitspolizei im Aquarium. (Foto: Chris Lukhaup)


Schneckliche Nahrungsspezialisten

Anders sieht‘s bei den Nahrungsspezialisten aus. Neritiden aka Rennschnecken sind zwingend auf Aufwuchs angewiesen, der in frischen Aquarien noch fehlt; Raubschnecken brauchen tierische Proteine. Filtrierer wie die Viviparidae brauchen Staubfutter, Brotia und Co. auch – und so weiter. Diesen Bedürfnissen muss man unbedingt Rechnung tragen und im Aquarium entsprechend füttern, sonst riskiert man verhungernde Schnecken. Diese Arten brauchen eine spezielle Fütterung.

Ein Aufwuchsfresser, der sich im Aquarium nicht vermehren kann: die Stahlhelmschnecke Neritina pulligera. (Foto: Chris Lukhaup)


Filtrierende Schnecken

Filtrierende Schnecken kommen fast weltweit vor, und auch bei uns in Mitteleuropa findet man einige Vertreter in der Natur. Sie haben wie verschiedene Arten aus Südostasien Eingang in die Aquaristik gefunden. Sie pflanzen sich in der Regel zwar im Süßwasser fort, aber weil sie etwas spezieller in ihren Ansprüchen ans Aquarium sind, ist keine Massenbesiedlung zu erwarten.

Fast wirkt es, als habe die Posthornschnecke Spaß dran, an der Wasseroberfläche zu surfen. (Foto: Oliver Mengedoht)

Spezialisierte Aufwuchsfresser wie die Rennschnecke Vittina semiconica sind nichts für frische Aquarien.

Am besten hält man diese Futterspezialisten in einem Artaquarium oder zusammen mit Garnelen. Von konkurrenzstarken Schnecken werden sie früher oder später verdrängt. Sie sammeln Schwebeteilchen aus dem Wasser über eine Rinne entlang ihres Körpers in einem Schleimnetz, das sie dann auffressen. Neben Schwebeteilchen aus dem Wasser fressen filtrierende Schnecken zudem Aufwuchs, Biofilme und Reste. Auch an Kunstfutter gehen sie problemlos.

Gestachelte Turmdeckelschnecken (Mieniplotia scabra) sind ein klasse Aufräumtrupp. (Foto: Chris Lukhaup)

Auch die Malaiische Turmdeckelschnecke buddelt überwiegend im Untergrund und entsorgt dort Reste. (Foto: Chris Lukhaup)


Krankheiten bei Aquarienschnecken

Leider sind die Krankheiten der Aquarienschnecken nicht erforscht; zu wenig wirtschaftliches Interesse besteht an den kleinen Schleimern. Es gibt allerdings Erkenntnisse aus der Aquaristik, wie man eine kranke Schnecke erkennen kann: Ist das Tier sichtbar abgemagert, während es allen anderen Schnecken offensichtlich gut geht, ist der Fuß schrumpelig oder zeigt er verfärbte Flecken, schleimt die Schnecke ungewöhnlich viel, liegt sie nur noch schlaff herum und schließt eine Deckelschnecke ihren Deckel nicht mehr, auch wenn man sie vorsichtig „ärgert“, sind dies alles Zeichen, dass der Schnecke etwas fehlt.

Eher selten gehalten werden afrikanische Apfelschnecken der Gattung Lanistes. (Foto: Oliver Mengedoht)

Cappuccinoschnecken vermehren sich nicht im Aquarium, werden aber bei guter Haltung recht alt. (Foto: Chris Lukhaup)

Leider ist in vielen Fällen bei offensichtlich kranken Tieren nicht mehr viel zu machen. Ein großer Wasserwechsel mit angepasstem Wasser und die dosierte Gabe von Huminstoffen schaden jedoch auf keinen Fall. Wenn die Schnecke noch frisst, kann man versuchen, sie für etwas getrocknetes Fenchelgrün zu interessieren. Ähnlich gute antibakterielle und fungizide Eigenschaften haben grün getrocknete Walnussblätter, die von vielen Schnecken ohnehin sehr gern gefressen werden. Wie bei Garnelen kann ein Zusatzfutter mit Beta Glucan ihr Immunsystem „anschubsen“ – auch prophylaktisch bei Stress durch eine Umgewöhnung.

Tylomelania aus Sulawesi haben es im Aquarium gerne etwas wärmer, sie brauchen über 25 °C. (Foto: Chris Lukhaup)

Filtriert Staubfutter aus dem Aquarienwasser: die Pianoschnecke (Taia naticoides) aus Südostasien. (Foto: Chris Lukhaup)

Am besten sind jedoch gute Haltungsbedingungen für gesunde Aquarienschnecken – eine ihren Bedürfnissen gemäß gehaltene Schnecke wird seltener krank, ihr einfaches Immunsystem ist reaktiver und kann sie besser gegen eindringende Erreger schützen.


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