Erneuerung des Panzers bei Garnele, Krebs und Krabbe
Text & Fotos: OLIVER MENGEDOHT
Genauso wie Reptilien und Amphibien sowie die anderen Gliedertiere Insekten und Spinnen müssen sich Krebstiere regelmäßig häuten. Während Echsen, Schlangen, Frösche und Co. jedoch nur die Haut wechseln, erfüllt das Exoskelett der Arthropoden auch eine stützende Funktion, bloß sind die Muskeln hier an der Innenseite angebracht. Daneben ist der Panzer eines Krebstiers natürlich zugleich eine gute Schutzhülle.
An Stellen wie den Scherenfingern ist der Panzer am dicksten, um die Kiemen herum wegen des Gasaustauschs besonders dünn. Auch an den Gelenken ist die Außenhaut naturgemäß wenig dick und flexibel. Hier gibt es gleich eine weitere Besonderheit: Zehnfüßige Krebse können per Autotomie Gliedmaßen abwerfen, ein Laufbein auf der Flucht, um den Gegner mit dem zappelnden Glied abzulenken, oder auch eine Schere im Kampf oder wenn es während der Häutung nötig wird. Die Sollbruchstelle zwischen Basis und Ischium, ehemals ein Gelenk, jetzt verwachsen, ermöglicht einen völlig glatten Bruch, und die Wunde kann sofort ohne Blutverlust mit einem dünnen Häutchen verschlossen werden.
Während das Wirbeltier langsam und allmählich, kaum merklich wächst, kann sich der Außenpanzer eines Krebses nicht dehnen und auch, wenn er einmal fertig und zumindest in seiner äußersten Schicht totes Gewebe darstellt, nicht durch Umbau und Einbau neuer Substanz vergrößert werden: Ein Krebstier kann nur wachsen, wenn es den alten Panzer abwirft und durch einen neuen, größeren ersetzt. Diesen Vorgang nennen Biologen Ecdysis, vom griechischen Wort für Herauskriechen.
Leere Hülle einer Neocaridina davidi, die aus der alten Haut geschlüpft ist.
Sekunden bis Wochen
Diese Häutung dauert bei Garnelen meist nur Sekunden, bei Krebsen Minuten, bei Krabben einige Minuten bis Stunden – bis zur vollständigen Aushärtung können aber Wochen vergehen, ebenso wie bei großen Hummern. Landeinsiedlerkrebse vergraben sich zur Häutung ebenfalls einige Wochen. Für den Zuwachs sind sehr unterschiedliche Werte von 3 bis 44 % dokumentiert, was auch an den vielen Faktoren liegt, die ihn beeinflussen: Licht, Ernährung, Temperatur, Wasserwerte, Feinddruck, gegebenenfalls Energieverbrauch für Regeneration von Gliedmaßen und mehr.
Landeinsiedlerkrebse vergraben sich wochenlang für die Häutung.
Die Cuticula besteht aus mehreren Schichten: dem äußeren Panzer, darunter die Hypodermis mit einer Schicht Drüsenzellen.
Außen ist sie wachsartig und wasserdicht, innen aus mehreren Substanzen aufgebaut. Die bekannteste ist Chitin, ein stickstoffhaltiges Polysaccharid, das sehr widerstandsfähig und unlöslich in Wasser, Alkohol, verdünnten Säuren, Alkalien und den Verdauungssäften vieler Tiere ist. Früher dachte man, das Chitin sei für die Härte zuständig, tatsächlich ist es aber flexibel und elastisch.
Für die nötige Härte des Panzers sorgen hingegen Kalksalze in einer Mittelschicht. Die Haut der Crustaceen bietet so einen guten Schutz, ohne an Mobilität einzubüßen. Ganz anders als bei Schnecken und Muscheln, deren schwere Behausungen die Bewegungsmöglichkeiten deutlich eingrenzen.
Neue Gewebe
Die Ecdysis ist aber nur eines von vier bis fünf Stadien, in welche Wissenschaftler den Prozess beziehungsweise das ganze Leben eines Krebstiers einteilen. In der Proecdysis oder Vorhäutungsphase wird die neue Haut unter dem alten Panzer angelegt und gespeicherte Energiereserven mobilisiert, damit die neuen Gewebeschichten gebildet werden können. Aus der alten Hülle werden Kalzium und andere Mineralien resorbiert und in verschiedenen Geweben des Tiers zwischengespeichert. Die Scherenmuskeln werden etwas abgebaut, damit sie später durch die dünnen Armgelenke zurückgezogen werden können. Wenn die Mahlzähne im Kaumagen nicht mehr ausreichend fest sind, wird die Nahrungsaufnahme eingestellt und die Aktivität verringert.
Zum Ende bricht das alte Exoskelett auf, in der Ecdysis oder Häutung wird die alte Hülle abgestoßen und der Körper durch Wasseraufnahme „aufgepumpt“. In der Metecdysis oder Nachhäutungsphase härtet das neue Exoskelett nach und nach aus, indem gespeicherte Mineralien und weitere Ressourcen aus dem Wasser wieder eingebaut werden. Neues Gewebe wird gebildet, um Muskeln und Strukturen in dem größeren Körper auszufüllen.
In der Diecdysis/Anecdysis oder Zwischenhäutungsphase ist die Bildung neuer Gewebe abgeschlossen und die Vorbereitung auf die nächste Häutung beginnt – nach der Häutung ist vor der Häutung! Der Panzer ist komplett ausgehärtet. Während Zeiten schnellen Wachstums ist die Zwischenhäutungsphase kurz und wird als Diecdysis bezeichnet, während langsameren Wachstums wie über den Winter kommt eine Anecdysis vor.
Diese junge Mangrovenkrabbe Orisarma intermedium hat gleich fünf Laufbeine regeneriert.
Gesteuert von Hormonen
Gesteuert wird das alles durch Hormone in den X- und Y-Drüsen. Im X-Organ-Drüsenkomplex in den Augenstielen (bei Garnelen nahe der Antennenbasis) wird das MIH (molt-inhibiting hormone) produziert, was das Krustentier im Zwischenhäutungs-Stadium hält. Das MIH wiederum unterdrückt die Aktivität der Y-Organe oder Häutungsdrüsen neben den Mandibeln. Die Y-Organe sekretieren α-Ecdyson, das in anderen Geweben zum „Active Molting Hormone“ umgewandelt wird.
Wenn die Produktion von MIH sinkt, steigt also die Produktion des Häutungshormons Ecdyson und die Vorhäutungsphase wird eingeleitet. Dieser Regulationsmechanismus wird von einer Kombination innerer (sexuelle Reife, Verlust von Gliedmaßen) und äußerer Faktoren (Licht, Temperatur, Wetter…) aktiviert oder unterdrückt.
Von den Drüsen in den Augenstielen, hier Neosarmatium sp., werden die Häutungshormone gesteuert.
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