Schwarz wie die Nacht

Schwarz wie die Nacht

Beschreibung Titelbild: Das Wasser des Ruki-Flusses im Kongobecken ist aufgrund einer hohen Konzentration an gelösten organischen Substanzen so dunkel wie Tee.

Forscher untersuchen einen der dunkelsten Flüsse der Welt

Text: OLIVER MENGEDOHT
Fotos: MATTI BARTHEL / ETH Zürich


Sie wollten den Kohlenstoffkreislauf des Kongobeckens erforschen und stießen dabei auf einen der dunkelsten Schwarzwasserflüsse der Welt: den Ruki. Wieso das Wasser so dunkel ist und was dies über den CO2-Haushalt des Flusssystems aussagt, beschreibt ein internationales Forschungsteam unter Federführung der ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich in der ersten Studie über den afrikanischen Dschungelstrom.
Die Forschenden staunten, als sie zum Ruki-Fluss kamen: Das Wasser dieses Stromes, ein Nebenfluss des mächtigen Kongo-Flusses, ist so dunkel, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sieht. „Die Farbe des Flusses hat uns tief beeindruckt“, sagt ETH-Forscher Travis Drake, der mit Kollegen aus der Professur für Nachhaltige Agrarökosysteme von Johan Six und weiteren Universitäten die Studie veröffentlicht hat.

Wirkt durch die Spiegelung des Himmels gar nicht so schwarz: der Ruki in Afrika, einer der dunkelsten Schwarzwasserströme der Welt.

Der Ruki ist möglicherweise der schwärzeste große Schwarzwasserfluss der Erde. Er ist jedenfalls dunkler als der berühmte Rio Negro im Amazonas. Das Wasser des Ruki ist so dunkel, weil er aufgrund seines geringen Gefälles kaum Sedimente mitführt, dafür aber große Mengen an gelösten organischen Stoffen.
Diese kohlenstoffhaltigen Substanzen gelangen vor allem mit dem Regenwasser in den Fluss. Der Regen fällt auf abgestorbene Dschungelvegetation und löst dabei organische Verbindungen aus totem Pflanzenmaterial. Zudem überflutet der Fluss in der Regenzeit den Wald. Das Wasser steht dann oft wochenlang hüfttief über dem Waldboden und fließt nur sehr langsam ab. Dabei reichert es sich mit den organischen Substanzen an. „Der Ruki ist eigentlich Dschungeltee“, sagt Drake.


Unberührter Regenwald

Nicht nur das dunkle Wasser ist etwas Besonderes. Der Ruki, der mit einer Breite von einem Kilometer in den Kongo mündet, ist als Ganzes einmalig. Noch immer ist sein Einzugsgebiet – mehr als viermal die Größe der Schweiz – von einem ursprünglichen, unberührten Tiefland- Regenwald bedeckt. Entlang des Flusses liegen zudem große Torfmoore, die gigantische Mengen an abgestorbenem, nicht zersetztem Pflanzenmaterial enthalten, also bedeutende Kohlenstoffspeicher sind.
Trotz seiner Einmaligkeit und seiner Größe wurde der Ruki wissenschaftlich noch nie untersucht. Zwar ist seit den 1930er-Jahren bekannt, zu welcher Jahreszeit der Fluss wie viel Wasser führt, aber Daten zur chemischen Zusammensetzung gab es nicht. So wurde bislang nicht erfasst und bestimmt, wie hoch der Gehalt an gelösten organischen Kohlenstoffen (GOK) ist oder woher diese stammen.
Drake und seine Kollegen haben deshalb 2019 beim Ort Mbandaka eine Messstelle eingerichtet und ein Jahr lang alle zwei Wochen die Abflussmengen und täglich den Pegelstand gemessen. „Unsere Messungen mussten mit einfachen Mitteln erfolgen“, berichtet Travis Drake. In Mbandaka gebe es keine permanente Stromversorgung, nur wenige Dieselgeneratoren, kaum andere Infrastruktur und nicht mal eine Bohrmaschine, um die Pegelstandsmesslatte montieren zu können.


29 Milliarden Tonnen

Die Analyse im Labor erlaubte Rückschlüsse, weil das Wasser Kohlenstoff-Signaturen aus dem gesamten Einzugsgebiet enthält. Der Vorteil: „Wir müssen nur an einer Stelle Proben nehmen, um Auskunft über ein riesiges Gebiet zu erhalten. Wie wenn ein Arzt eine Blutprobe entnimmt, um den Gesundheitszustand eines Patienten zu beurteilen“, erläutert Mitautor Matti Barthel.
Die Analysen bestätigten den visuellen Eindruck: „Der Ruki ist eines der GOK-reichsten Flusssysteme der Welt“, betont Barthel. Sein Wasser enthält viermal mehr organische Kohlenstoffverbindungen als das des Kongos und 1,5-mal mehr als das des Rio Negro im Amazonas. Und obwohl das Einzugsgebiet des Ruki nur ein Zwanzigstel des gesamten Kongobeckens ausmacht, liefert der Fluss ein Fünftel des im Kongo vorhandenen gelösten organischen Kohlenstoffs. Dabei handelt es sich in der Regel um organische Säuren, die den pH-Wert des Flusswassers senken, es also saurer machen.
„Insgesamt ist aber sehr wenig Torf im Fluss zu sehen“, sagt Drake – „eine gute Nachricht: Das heißt nämlich auch, dass die Torfmoore stabil sind.“ Allerdings haben Firmen ein Auge auf Ressourcen des Ruki-Beckens geworfen. Durch Veränderungen in der Landnutzung wie die Rodung von Wäldern könnten Torfmoore trockenfallen und von Bakterien zersetzt werden. Dabei würde sehr viel CO2 freigesetzt. „Die Torfmoore im Kongo-Becken speichern rund 29 Milliarden Tonnen Kohlenstoff“, gibt Barthel zu bedenken. „Für das Klima ist es besser, wenn sie nass bleiben.“