Bei der Schulung zum ehrenamtlichen Flusskrebskartierer
Text & Fotos: OLIVER MENGEDOHT
Verflixt nochmal, das kann doch nicht sein! Der Bestimmungsschlüssel ist doch eindeutig. Aber: Ist das jetzt ein Dorn hinter der Nackenfurche oder nicht? Die Tiere sind eben doch variabel und ein eigentlich gut zur Bestimmung geeignetes Merkmal wie so ein Dorn kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Manchmal ist er kaum zu sehen, dann kann man ihn nur fühlen. Wir sind auf der Schulung zum ehrenamtlichen Flusskrebskartierer des Edelkrebsprojekts NRW in Duisburg.
So schwer ist es aber auch nicht, da soll kein falscher Eindruck entstehen. Wenn man gut aufpasst und nach Anleitung vorgeht, ist die korrekte Identifizierung eines Krebses kein Hexenwerk. Vor allem, weil Projektleiter Harald Groß aus Bad Münstereifel sein Wissen nicht nur gekonnt, sondern auch unterhaltsam vermittelt. So werden die Schulungen kein Wälzen trockener Literatur und morphologischer Details, sondern kurzweilige Lehrveranstaltungen im Hobby, die Spaß machen.
Über 1.000 Helfer ausgebildet
Haus der Verbände beim Landessportbund in Duisburg, im März 2022, gleich neben der Regattabahn im Stadtteil Wedau, noch zu Maskenzeit. Los geht’s gleich mit einem farbenfrohen Gemälde aus dem Fischereibuch von Kaiser Maximilian I. von Österreich, das den Krebsfang in der Drau im Jahre 1504 zeigt! „Früher waren Krebse eben einfach nur Nahrung“, verdeutlicht Harald und schiebt gleich Bilder von Gaststätten mit Namen wie „Zum Krebsbachtal“ oder „Im Krebsloch“ hinterher. Gleichwohl werden Edelkrebse natürlich auch heute noch gegessen, aber eben eigens dafür gezüchtete Exemplare, keine Wildfänge.
Das Edelkrebsprojekt NRW ist eine Kooperation des Fischereiverbands NRW und des Nabu-Landesverbands NRW, finanziert durch das Umweltministerium. „Wesentliches Ziel war von Anfang an, die Öffentlichkeit zu informieren, denn oft wissen Menschen nicht, was sie tun oder was es für Auswirkungen haben kann“, erinnert Harald. Erschreckende Beispiele fänden sich immer wieder in der Presse, wenn nicht-heimische Tiere aus falsch verstandener Tierliebe ausgesetzt würden. Aber:
„Jeder Aquarianer, der einmal weiß, dass jeder einzelne Krebs, den er halten will, ganze Populationen in der Natur auslöschen kann, der macht das nicht mehr!“ Außerdem werden eben Kartierer ausgebildet – über 1.000 bisher – und die Krebsbestände erfasst, 33 Edelkrebspaten kümmern sich dauerhaft um „bewohnte“ Gewässer. Ein weiterer Aufgabenbereich betrifft die Wiederansiedlung von Edelkrebsen in geeigneten Gewässern (und die Suche nach diesen).
Harald Groß präsentiert den Teilnehmern den Europäischen Edelkrebs.
Praktische Übungen
Der Edelkrebs (Astacus astacus) war früher in ganz NRW weit verbreitet, der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) nur im Süden des Landes. Ein Vorkommen in der Eifel wurde beim Hochwasser 2007 ausgelöscht, berichtet Harald, das andere sei ein nur 30 Zentimeter breiter Bach im Siebengebirge. Sie wurden verdrängt durch die Krebspest und später auch importierte Speisekrebse.
Die „Amerikaner“ wie Kamberkrebs (Faxonius limosus), Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus), Roter Amerikanischer Sumpfkrebs (Procambarus clarkii), Marmokrebs (Procambarus virginalis) und Kalikokrebs (Faxonius immunis) vermehren sich außerdem schneller und verdrängen dadurch die heimischen Arten. Vermutlich eher durch Aquarianer kam es zu Ansiedlungen des Marmorkrebses, der Galizische Sumpfkrebs (Astacus leptodactylus) hingegen ist kein Krebspestüberträger und bevorzugt etwas andere Gewässer als der Edelkrebs.
„Ich war felsenfest überzeugt davon, dass wir das nie mehr erleben, aber ersten Meldungen zufolge entwickeln sich einzelne Edelkrebsbestände mit Resistenzen gegen einzelne Formen der Krebspest in Europa“, verkündete der Projektleiter. Dazu sind aber bislang nur wenige Details bekannt. Lebensraum geht zudem nicht nur durch die Verdrängung durch die invasiven Krebsarten verloren, sondern auch durch Habitatverlust und anscheinend Spritzmittel aus der Landwirtschaft .
Hinweisen zu Nachtbegehungen mit Taschenlampe oder Reusenbefischung folgt der juristische Rahmen der durch Fischereirecht geregelten Nachweismöglichkeiten, Naturschutz- und Betretungsrecht gilt es ebenso zu beachten wie die Eignung von Gewässern. Für die anwesenden Taucher gibt es spezielle Hinweise, ergänzt von Michael Feld vom Tauchsportverband NRW, der dem Projekt schon länger ehrenamtlich hilft . Auch Angler nehmen regelmäßig an den Infoveranstaltungen des Edelkrebsprojekts NRW teil, sie können viel zum Schutz der Dekapoden beitragen.
Zum Schluss geht es an die praktischen Übungen: anhand der Bestimmungsmerkmale an Präparaten alle Arten in NRW korrekt identifizieren. Das fängt mit ein oder zwei Paar Augenleisten an, geht über einen seitlichen Dorn oder eine ausgeprägte Bedornung vor und hinter der Nackenfurche weiter und endet bei den Marmorkrebs, bei den auffälligen Flecken auf dem Panzer.
Der Bestimmungsschlüssel erklärt genau, anhand welcher Merkmale die Flusskrebse identifiziert werden können.
Manche Merkmale, wie kleine seitliche Dornen, sind manchmal kaum zu sehen, aber zu fühlen.
Zum Abschluss zeigt Harald Groß den Teilnehmern ein Paar lebender Flusskrebse.
Wer nun Lust bekommen hat und beim Edelkrebsprojekt NRW mithelfen will, findet auf der Webseite viele Infos und Kontaktmöglichkeiten. Kartiererschulungen finden mehrmals im Jahr statt , geeignete Gewässer für Wiederansiedlungen sowie Edelkrebspaten werden immer gesucht.
Achso, der Edelkrebs ist übrigens an zwei Paar Augenleisten zu erkennen, einem seitlichen Dorn und roten Gelenkhäuten und vielfach auch roten Scherenunterseiten. In der Färbung ist der meist eher bräunliche Kruster variabel, auch knallblaue Exemplare kommen vor.
Mehr zum Edelkrebsprojekt finden Sie unter www.edelkrebsprojektnrw.de.
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