Afrocascudo sahariensis aus einer kreidezeitlichen Gesteinsschicht
Text & Fotos: HARRO HIERONIMUS
Die Harnischwelse (Familie Loricariidae) stellen die größte Familie innerhalb der Ordnung der Welse (Siluriformes) dar. Man geht von über 1.200 Arten, aber auch noch Hunderten unbeschriebener Arten aus, die heute ausschließlich auf dem südamerikanischen Kontinent vorkommen. Neuste Fossilienfunde aus Marokko belegen aber, dass diese Familie auch in Afrika vorkam.
Bis vor gut 110 Millionen Jahren existierte der Urkontinent Gondwana. Kontinente wie Australien, Teile Asiens und Antarktika hatten sich schon eher getrennt. Auf dieser das heutige Südamerika und Afrika umfassenden Landmasse kamen schon die Vorgänger zahlreicher beliebter Aquarienfische vor, am bekanntesten sind sicher die Welse und Salmler. Beide Ordnungen kommen heute sowohl in Afrika und Südamerika vor, haben also vor der Abtrennung Südamerikas bereits existiert. Allerdings ging die Entwicklung auf den Kontinenten weiter. Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass sich die Harnischwelse erst nach der Trennung der beiden Kontinente entwickelten und deswegen auf Südamerika beschränkt sind.
Gondwana kurz nach der Trennung Südamerikas von Afrika vor ca. 110 Mio. Jahren. Man sieht, wie nahe Marokko und Amazonien noch waren. (Grafik: Woudloper / CC BY-SA 3.0)
Drei Fossilstücke
Die Trennung dieser Landmassen erfolgte vor etwa 150 bis 110 Millionen Jahren. Auch heute driften die Kontinente noch auseinander. Zwischen ihnen entstanden große Teile des heutigen Atlantiks. Aufgrund einiger Fossilienfunde (die sehr selten sind) und der bisher nur aus Südamerika bekannten Familie Loricariidae hielt man bislang die Harnischwelse für etwa 115,4 Millionen Jahre alt, also für kurz vor der Trennung entstanden.
Der Holotyp von Afrocascudo sahariensis, links der Schädel von oben betrachtet, rechts die Seitenansicht mit Rücken-, Bauch- und Schwanzflossen.
Ein Fossilfund aus dem Jbel Oum Tkout in der Douira-Formation der Kem-Ken-Gruppe im südöstlichen Marokko, Provinz Errachidia, unterstützt die Theorie, dass die Harnischwelse bereits vor der Kontinenttrennung auf beiden Kontinenten existierten. Die neue Art Afrocascudo sahariensis stammt aus einer kreidezeitlichen Gesteinsschicht, die zwischen 95 und 100 Millionen Jahre alt ist, also nach der Trennung Südamerikas von Afrika entstand. Der Name bedeutet „Afrikanischer Harnischwels (in Brasilien werden Harnischwelse „cascudo“ genannt) aus der Sahara“.
So sieht eines der Fundstücke aus. (Foto: Brito et al. (2023): DOI 10.5281/zenodo.10019044/CC BY 4.0)
(Foto: Brito et al. (2023): DOI 10.5281/zenodo.10019044/CC BY 4.0)
Die drei Fossilstücke, die gefunden wurden, zeigen auffällige Kennzeichen, die heute nur den Harnischwelsen zugeordnet sind: Drei Reihen von Knochenplatten auf den Körperseiten, eine einzige Rückenflosse und ein mit Zähnchen (Odontoden) besetzter Hartstrahl am Beginn der Rückenflosse. Wahrscheinlich ist dieser afrikanische Harnischwels einem Vertreter der Hypostomus-Gruppe ähnlich, die Autoren sehen Gemeinsamkeiten mit Pterygoplichthys-Arten, die sie als nächste Verwandte ausgemacht haben.
Den Autoren der Beschreibung zufolge soll die afrikanische Harnischwelsart ähnlich wie Pterygoplichthys ausgesehen haben.
Wie viele dieser Harnischwelse auf dem afrikanischen Kontinent existierten und wann sie dort ausgestorben sind, lässt sich nicht einmal erahnen. Immerhin müssen sie mindestens 10-15 Millionen Jahre existiert haben.
Stammbaum von Afrocascudo sahariensis und anderen Welsen. (Grafik: Brito et al. (2023): DOI 10.5281/zenodo.10019044/CC BY 4.0)