30 Jahre stetiger Wandel in der Aquaristik

30 Jahre stetiger Wandel in der Aquaristik

Unser Magazin feiert Geburtstag und blickt auf eine bewegende Geschichte zurück

Text & Fotos: OLIVER MENGEDOHT


So ganz nachvollziehbar ist es heute wirklich nicht mehr, warum aquaristik als „German Fisheries“ startete, schließlich handelt und handelte es sich ja gar nicht um eine Fischereizeitschrift. Der Aquarianer Reinhard Reiber hatte 1993 „ein Heft quasi als Muster produziert und bot das den Verlagen an“, erinnert sich unser Autor Harro Hieronimus, ein Mitarbeiter fast der ersten Stunde. „German Cichlids" war auch noch in seiner Namensauswahl, aber der Dähne Verlag hat die Zeitschrift zum Glück direkt nach dem Zugreifen in "Aquaristik aktuell" umbenannt“, weiß Harro noch.

Harro Hieronimus ist ein Autor der ersten Stunde gewesen, links im Bild der aktuelle Chefredakteur Oliver Mengedoht. (Foto: Thomas Heinen)
Immerhin, der Untertitel lautete selbst auf der Erstausgabe mit dem irreführenden Namen schon klarstellend „Das Fachblatt für Aquarianer“. Damit begann die Geschichte unserer Zeitschrift 1993. Mit dabei war auch Ulrike Wesollek-Rottmann, seinerzeit Objektleiterin. So hieß im Verlag immer die zuständige Person, die neben dem freiberuflichen Chefredakteur die Verantwortung für das Heft trug (bis ein festangestellter Redakteur diese Rolle mit übernahm). „Ich sehe mit Freude, wie viel moderner das Heft geworden ist“, sagt sie. Und erinnert sich: „Wir haben ja beinahe zusammen angefangen.“
Denn Wesollek-Rottmann war gerade ein halbes Jahr im Verlag, als Reinhard Reiber mit dem neuen Magazin anrückte und bis zur Ausgabe 1/1995 Chefredakteur blieb. Ihm folgte der bekannte Buchautor Daniel Knop. Wer Daniel kennt, kann sich denken, dass zu der Zeit tatsächlich auch die Meerwasseraquaristik noch zum Repertoire der „Aquaristik aktuell“ gehörte.
Den Nachfolger lernte Wesollek-Rottmann auf der legendären Zajac-Messe in Duisburg kennen. Schließlich ist der Verlag auch auf Verbrauchermessen mit einem Stand anzutreffen und teils auch für Vortragsprogramme verantwortlich. „Da habe ich Friedrich getroffen als Aussteller mit vielen Aquarien und interessanten Sachen.“ Von ihm habe sie sehr viel gelernt, „er ist ja beinahe ein wandelndes Lexikon“. Aus „Aquaristik aktuell“ wurde aquaristik (später kam der Untertitel „Aktuelle Süßwasserpraxis“ dazu, zeitweise „vereint mit AQUARIUM live“ und seit 1/2018 „Leidenschaft fürs Hobby“), salzige Inhalte verschwanden und dafür kamen nach und nach die Wirbellosen dazu, auch dank Friedrich.

Aquaristik aktuell hieß die Zeitschrift nach ihrer Erstausgabe zunächst einmal, Untertitel: "Das Fachmagazin für Aquarianer".


Oskar aus Block 3

Denn Friedrich Bitter, Chefredakteur von 1997 bis 2013, war auch „einer der Ersten mit bunten Garnelen auf der Aqua-Fisch in Friedrichshafen“, weiß Harro Hieronimus noch. Das führte über ein Sonderheft zur Probe auch zum Schwestermagazin caridina, welches Wesollek-Rottmann mit auf den Weg gebracht hatte. Auch wenn sie darauf beharrte, die Ehrung von Dennerle 2014 als „Mama caridina“ gebühre dem ganzen Team des Verlags und nicht ihrer Person, gibt sie andererseits doch zu: „caridina" war schon mein Kind, gegen alle Widerstände.“

Im Jahr 2010 zeichneten Christian Homrighausen von Dennerle und Enie van de Meiklokjes auf der Interzoo Ulrike Wesollek-Rottmann als „Mama caridina“ aus.

Die zeigt zugleich eine der Entwicklungen der letzten 30 Jahre auf. 1993 konnte sich noch niemand vorstellen, Garnelen, Krebse, Krabben oder (gewollt) Schnecken im Aquarium zu halten. Aber Friedrich schrieb schon in der Erstausgabe im Jahr 2006: „Diese «Krabbeltiere» erfreuen sich großer Beliebtheit und einer stetig wachsenden Verbreitung in den Aquarien.“

Keiner hat so lange als Chefredakteur der aquaristik gedient wie Friedrich Bitter, hier 2010 auf der Messe Interzoo.

Noch eine ganze Menge mehr hat sich geändert in diesen drei Jahrzehnten. Inhabergeführte Zoofachgeschäfte gibt es immer weniger. Stattdessen dominieren heute die großen Ketten – was allerdings zu einer Verarmung der Artenvielfalt in der Aquaristik führt. Denn in den modernen Verkaufsanlagen ist nicht nur alles etwas schicker, sondern wegen der Effizienz das Sortiment zugleich gestraffter. Wie Stefan K. Hetz, Biologe und Träger unseres aquaristik-Awards 2015, zum 25. Geburtstag dieser Zeitschrift schrieb: „Vorbei sind die Zeiten, in denen man die drei Crenicichla oder den acht Jahre alten Oskar im Block 3 rechts unten seit mehreren Jahren persönlich kannte.“
Auch Herbert Nigl von Aquarium Dietzenbach beklagt das regelmäßig. Durch die Beschränkung einiger Zoofachhändler auf nur noch 200 bis 300 gängige Arten führe die Branche selber eine Positivliste ein. „Durch diese Strategie sorgen wir selbst dafür, dass unsere Kundschaft sich auf die «Standardangebote» beschränkt“ und Jugendliche, die Aquarianer von morgen, auch kaum für das Hobby Aquaristik zu begeistern seien. Zumindest sein Großhandel bietet weiterhin mehrere Hundert andere Arten an.

Nano und Aquascaping

Der schon angesprochene Trend zu Wirbellosen hat auch kleineren Becken eine größere Nachfrage beschert. In ihrem Zuge kam die Nano-Aquaristik mit schön designten und toll eingerichteten Aquarien. Und das bereitete möglicherweise einem weiteren Trend den Weg: dem Aquascaping.
aquaristik griff dieses Thema von Anfang an auf und entwickelte es in Kooperation mit seinem „Begründer“ Takashi Amano und dessen japanischem Unternehmen ADA weiter.
Die Technik hat seit 1993 natürlich ebenfalls Riesensprünge gemacht. Heute gibt es quasi kein Tier, was nicht dank hochentwickeltem Zubehör erfolgreich zu pflegen wäre. Auch wenn damals die meisten Geräte prinzipiell schon vorhanden waren, so sind Filterpumpen und Beleuchtung heute leiser, verbrauchen nur noch Bruchteile der Energie, sind durchdachter und ausgefeilter. Mit LED-Lampen hielten nochmal andere Möglichkeiten (Bewölkung, Gewitter oder Sonnenuntergangssimulation) Einzug und gerade beginnen Unternehmen wie Eheim mit seiner Produktreihe „digital“ WLAN-gesteuerte Technik einzuführen, die per App gesteuert werden kann.


Mitmachen statt zuschauen

Messen sind heute nicht mehr nur zum reinen Verkaufen und als Treffpunkt für Liebhaber spezieller Fischgruppen, sondern immer mehr auch Mitmachveranstaltungen mit Einrichtungswettbewerben (auch aquaristik hat übrigens immer versucht, Messen für die Leser mit Rabatten auf den Eintritt , Rahmenprogramm und Workshops attraktiv mitzugestalten).

aquaristik will Leser immer einbeziehen und lädt zum Mitmachen ein.

Auf der Heimtiermesse in Hannover richteten aquaristik und caridina sogar das Garnelenchampionat vom AKWB mit aus.

Immer präsent auf Messen mit aquaristik, caridina und Buchprogramm, hier 2019 auf der Fisch & Reptil in Sindelfingen.

Thema Mitmachen: Auch wir sind bestrebt, unsere Leser nicht nur mit Artvorstellungen und Zuchtberichten am Wissen anderer Aquarianer und mittels lebendiger Dokumentationen an exotischen Expeditionen und Fangreisen auf der ganzen Welt teilhaben zu lassen, sondern sie auch selbst zu beteiligen, sei es mit Rätseln, eigenen Geschichten oder der Aktion Leserfoto („Zeigt her Eure Aquarien!“).
Nicht zuletzt haben die Sozialen Medien der Aquaristik einen Aufschwung verschafft : Auf YouTube, Instagram, TikTok und Co. toben sich heute so viele Experten und Influencer aus, dass durch diese Aktivitäten auch ganz neue Schichten von künftigen Aquarianern erreicht werden. Manche werden gefeiert wie früher nur Film- oder Popstars.

Auch Spaß muss mal sein: Chris Lukhaup „weint“ sich an der Schulter von Verlagsgeschäftsführer Marc Dähne aus.

Anfang der 1990er-Jahre gab es ein Standardsortiment an Lebendgebärenden,
Salmlern und Barben sowie Buntbarschen aus den ostafrikanischen Seen. Kurz zuvor hatte der Export aus Brasilien seinen Höhepunkt erreicht, das war auch der Grund für den beginnenden Wels-Boom, erinnert sich Ingo Seidel, heute selber Zierfisch- Großhändler. „Viele dieser ersten wirklich bunten Harnischwelse waren noch nicht einmal auf Gattungsebene bekannt. Die Importeure erfanden die ungewöhnlichsten Fantasiebezeichnungen und jeder hatte eigene Namen.“
Einer von ihnen, Arthur Werner, überlegte sich mit Datz-Chefredakteur Rainer
Stawikowski und dem Ichthyologen Ulrich Schliewen das L-System zur sinnvollen Bezeichnung für diese Tiere: die Geburtsstunde der L-Welse. Die Codierung mit dem L für die Fischfamilie Loricariidae und einer fortlaufenden
Zahl wurde 1988 in der Dezemberausgabe der Datz begonnen.


Print und Online

Den Schlusspunkt überlasse ich meinem Vorgänger Michael J. Schönefeld, der die aquaristik fünf Jahre lang leitete und 2018 schrieb: „Neue Impulse für unser Hobby Aquaristik sind unerlässlich, damit das Thema nicht langweilig wird.“ Erfahrungsaustausch und Gespräche mit Gleichgesinnten über Zuchterfolge oder neue Produkte und deren Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis förderten das Hobby und beflügelten, wieder Neues auszuprobieren. „Stillstand ist Rückschritt , besagt ein altes Sprichwort – das gilt auch für unser Hobby.“ So bleibt alles … im Wandel. Auch unser Magazin muss mit der Zeit gehen, denn einerseits versuchen wir natürlich immer, ein offenes Ohr für unsere Leser und ihre Wünsche zu bewahren. Andererseits muss das Layout ab und zu moderneren Lesegewohnheiten angepasst werden (übrigens seit vielen Jahren die Aufgabe von Mediengestalterin Ulrike Stauch), die Kameras heute bilden mit einer anderen Qualität ab als zu Diazeiten und aquaristik gibt es mittlerweile nicht mehr nur als Printmagazin, sondern auch – mit dem Blog unter www.daehne-aquaristik.de – längst online.

Autorin Maike Wilstermann-Hildebrand mit ihrem neuen Buch am Dähne-Stand auf den Aqua-Expo-Tagen in Dortmund.